The Nose
Nach
dem Half Dome gönnten wir uns zuerst einmal zwei Rasttage und genossen die
Sonne in den Meadows, erledigten einige Dinge und füllten unsere
Energiespeicher mit reichlich viel Essen. Am Donnerstag hatten wir dann einen
echt besch… Klettertag. Eigentlich wollten wir The Rostrum noch einmal
versuchen, doch die Route war übervoll mit Menschen. Ich war fertig mit den
Nerven und wollte auf der Stelle das Valley verlassen. Nach der Ruhe am Half
Dome war mir das Valley einfach nur viel zu hart und dann sind auch noch alle
Routen so überlaufen:
Als
ich mich nach zwei Bier und einer großen Jause wieder beruhigt habe sind wir in
eine neue Route eingestiegen. Etwas abgeschieden von all dem Mainstream liegt
die Border Cauntry am Middle Cathedral. Ein Genuss sondergleichen! Wir
kletterten mit Begeisterung die fünfzig Meter Längen zügig dahin, bis uns ein
Fehler zum Rückzug zwang. Dummerweise hatten wir vergessen die Rapline (das
extra Seil zum Abseilen) dem Vorsteiger zu übergeben und es verhedderte sich in
einem Riss. Wir kehrten zum Camp 4 zurück und versuchten optimistisch zu
bleiben und entschlossen uns die Route am nächsten Tag zu wiederholen. Doch am
Lagerfeuer loderten unsere Träume wieder auf und wir fragten spontan, ob jemand
mit gehen würde auf die Nose. Jan, unser tschechischer Zeltnachbar, strahlte
überglücklich und erklärte uns, dass dies ein Traum für ihn wäre. Wir hatten
ihn bereits am Westface getroffen und entschieden uns ihn mit zu nehmen.
Allerdings musste er bereits am Dienstag abreisen, also blieb uns nichts
anderes übrig als am Samstag zu starten.
Die
Furcht vor der hohen Wand war verloren, Motivation und Vorfreude kehrte an ihre
Stelle.
Den
Freitag nutzen wir als Vorbereitungstag. Immerhin planten wir drei Tage in der
Wand zu bleiben, da muss man schon einige Vorkehrungen treffen und vor allem
viel Essen und (Bier-) Trinken, damit alle Reserven gut gefüllt sind. Zudem
brachten wir unsere zwei Schweindelen (Haulbags = rießige feste Rucksäcke, die
man dann an der Wand hinter sich her zieht) zum Einstieg und fixierten sie nach
der ersten Seillänge. Um 5 Uhr klingelte der Wecker am Samstag und voller
Vorfreude frühstückten wir gemütlich. Unser Plan war es bei Sonnenaufgang in
die zweite Seillänge ein zu steigen und dies gelang uns tatsächlich. Wir
wollten in Blöcken führen, das ist so üblich in Big Walls. Doch unsere Blöcke
waren anstatt 5 bis 6 Seillängen etwas länger. Wir entschieden uns, dass jeder
einen Tag lang Vorsteigen durfte. Da ich die Leichteste von uns dreien bin, war
es nur logisch, dass ich am ersten Tag vorsteige und die Jungs die voll
beladenen Schweindelen hinauf zogen.
Der
erste Tag bestand aus 14 Seillängen weniger einer, da wir diese ja schon am
Vortag eingehängt haben. Diese Längen sind eher einfach und machten richtig
viel Spaß zum Klettern. Bitte nicht falsch verstehen, da spaziere ich nicht
einfach so hinauf. Sondern ich klettere ein bisschen, zieh mich an Hacken hoch,
setzte Klemmkeile und Camalots und ziehe mich ebenfalls an ihnen hinauf,
technisches Klettern vom Feinsten. Die Amis nennen diese Variante „French
Free“, weil sie selbst Trittleitern und Daisychains benutzen, doch da ich nicht
weiß wie man richtig technisch Klettert ist es schneller wenn ich mich am
Material hoch ziehe und das hat auch super funktioniert.
Eine
Big Wall ist richtig viel Arbeit, es geht nicht so sehr ums Klettern, sonder
auch sehr viel um Logistik und Seiltechnik. Vor allem der erste Tag ist sehr
hart, da man in eher flachem Gelände seine Haulbags nach ziehen muss. Doch
Magnus und Jan meisterten dies pravorös und so zogen wir rasch von Standplatz
zu Standplatz bis wir von einer anderen Seilschaft gestoppt wurden. Loren und
Roary waren zwar sehr nett, doch leider auch sehr langsam und so mussten wir an
jedem Standplatz warten bis sie wieder weiter geklettert waren. Dadurch mussten
wir die letzte Seillänge im Dunkeln klettern, doch auch das war kein Problem
für uns. Glücklich und sehr müde kamen wir auf dem El Cap Tower an, unser
erstes Biwak. Das 5 Meter lange und 1,5 Meter breite Band bot uns Gott sei dank
genug Platz für alle fünf Personen und so konnten wir uns entspannen und unser
Abendessen genießen.
Nach
einer sternenklaren Nacht ging es weiter. Dieses Mal war es an Jan uns die
nächsten 10 Länge zum nächsten Biwakplatzl hinauf zu leiten. Gleich als dritte
Länge hatten wir den berühmten King Swing, der von nahem nicht mal ansatzweise
so spektakulär wirkt wie von den Meadows aus betrachtet. Jan schaffte den
Pendler gleich beim Ersten Mal und wir konnten via Seilrutsche zu ihm
schwingen. Sehr schnell meisterten wir die nächsten Seillängen bis wir dann
leider gezwungen waren zwei geschlagene Stunden zu warten. Die zwei
Seilschaften vor uns waren einfach so langsam. Während dem Warten rechneten wir
immer wieder nach und kamen zu dem Schluss, dass es nicht möglich ist wie
geplant auf Camp 5 zu schlafen, da es zu wenige Biwakplätze für alle
Seilschaften gibt. Als wir dann endlich weiter klettern durften erreichten wir
das Great Roof und es war einfach nur überwältigend wie Menschen in so einer
Wand eine solche Route ohne technische Hilfsmittel klettern können. Der Magnus
und ich schauten nicht schlecht als Jan sagte er brauche jetzt seine
Zustiegsschuhe und wir sollen seine Kletterschuhe im Rucksack verpacken. Er ist
eindeutig der beste technische Kletterer von uns und bezwang die Seillänge
mittels Trittleitern und zahlreichen Sicherungspunkten, mit frei klettern hatte
das gar nichts mehr zu tun. Anschließend hatten wir noch zwei Längen bis zum
nächsten Biwakplatz vor uns. Doch wie befürchtet war kein Platz mehr und so
mussten wir noch weitere zwei Längen bis auf das Camp 6 klettern.
Müde
kamen wir im Dunkeln auf einem schmalen Band an, das uns aber als Schlafplatz
für eine Nacht vollkommen zufrieden stimmte. Das einzige was wirklich
abscheulich war, ist der Geruch auf dem Camp 6. Diese sogenannte Ledge duftete
nach Urin, dass selbst mir mit meiner schlechten Nase schummrig davon wurde.
Doch es half nichts. Es war noch zu weit zum Top um diese Längen im Dunkeln mit
unseren rießigen Haulbags zu klettern. Also nahmen wir es mit Humor und machten
das Beste daraus. Immerhin hatten wir noch unendlich viel zu Essen und auch
noch an guaten Zirbeler vom Mathi.
Trotz
Geruch war das Band unglaublich schön gelegen. Direkt unter der „Changing
Corner“ mit der glatten Wand über uns und dem Sternenhimmel daneben. Anstatt zu
schlafen hab ich es mehr genossen die Szenerie zu betrachten.
Um
6 Uhr ging es los, auf in die nächste und letzte richtig schwere Seillänge. Der
Magnus kam nun in den Genuss uns zum Gipfel zu führen und dies meisterte er
einwandfrei. Er konnte sogar eine komplette Länge frei klettern und wir kamen um
11:30 Uhr am Gipfel an.
Glücklich
und befreit lagen wir drei am Gipfelplateau. Ich war einfach nur froh, dass ich
diese technische Kletterei hinter mir hatte. Gleichzeitig war ich unendlich
traurig, dass ich meiner Mama nichts von dem berichten kann was ich hier gerade
erlebe. Sie würde über gesamtes Gesicht strahlen und spätestens nach zwei Tagen
würde jeder auf der Straße wissen, dass ich die Nose geklettert bin. Und ich
würde mich dafür schämen, weil es für mich keine herausragende Leistung war.
Sie fehlt mir, ihr strahlen und ihre Begeisterung.
Ja,
die Nose ist eine historisch ruhmreiche Route, doch mit den vielen (langsamen)
Leuten und dem unangenehmen Uringestank der dich die ganzen drei Tage begleitet
ist es einfach kein Genuss. Zudem ist die gesamte Logistik mit den zwei
schweren Haulbags echt mühsam und als Nachsteiger jummert man einfach hinterher
und sieht den Felsen nur im vorbeifliegen. Es ist ein Abenteuer, doch so lange
ich nicht fit genug bin eine der Routen frei zu klettern, wird mich diese Big
Wall nicht mehr sehen.
Jetzt
werden wir noch bis zum 3. November hier bleiben und weiter ziehen bevor der
erste Schneesturm durch das Valley zieht. Jetzt nach der Nose fühl ich mich
befreit und bin motivierter zum Klettern als je zuvor hier im Yosemite.
1. Tag
Pic by Tom Evans
2. Tag
Pic by Tom Evans
3. Tag
Pic by Tom Evans thx
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